Sammler, Künstler, Schaumschläger
Von Ingeborg Wiensowski
Nach dem Banken-Crash könnte nun der Kunst-Crash kommen: Bei der Londoner Messe „Frieze“ entscheidet sich, ob es auch auf dem Markt für Gemälde und Skulpturen eine Spekulationsblase gibt – und ob sie platzen wird.
Im Kunstbetrieb soll es Leute geben, wenn man der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangenen Samstag glauben darf, die der Finanzkrise gelassen gegenüber stehen und die darin sogar „endlich“ eine Normalisierung des wild gewordenen Kunstmarktes sehen.
Galeristen zum Beispiel sagen Sätze wie „Beste Qualität setzt sich immer durch“ oder es sei in einer Krise „vorbei mit den leichtfertigen Käufern, die nur nach Namen sammeln, nicht nach wirklichem Interesse“.
KUNSTMESSE „FRIEZE“: ERST FLASH, DANN CRASH
Man kann diese Äußerungen gleich überprüfen: Am Mittwochabend wird in London die „Frieze“ eröffnet, eine der wichtigsten und größten Kunstmessen weltweit. Eine Zitterpartie für die Veranstalter? Matthew Slotover, Messechef zusammen mit seiner Kollegin Amanda Sharp, ist realistisch und trotz aller Finanzkatastrophen vorsichtig optimistisch, denn Absagen von Galerien habe es nicht gegeben.
Natürlich wisse er, dass einige deramerikanischen Sammler nicht kommen werden, aber wenn er die Liste der eingeladenen Sammler durchsehe, sei nicht viel „quick money“ darunter. „Wir wissen allerdings nicht, wie tief diese Krise gehen und wie weit sie auch den Kunstmarkt betreffen wird.“
Im Übrigen habe er die Probleme kommen sehen, sagt er, der Hype habe schon im vergangenen Jahr abgenommen. „2006 war absolut verrückt, Tausende von Sammlern riefen ihre Kunstberater und Händler mit dem Auftrag an, dass sie fast jeden Preis für gewisse Arbeiten zahlen würden. Und die Galeristen schlugen sich mit dem Problem herum, an wen sie verkaufen sollten.“
„Schaumschläger“ wäre der passende Begriff für diese Akteure, sagt ein Sammler und meint zum Beispiel Gloria von Thurn und Taxis, die in peinlichen Fernsehsendungen als Sammlerin vorgeführt wurde, an ihrer Seite ihr New Yorker Galerist Leo König. Als die Dame dann ihre gesamte gerade eingekaufte Sammlung bei Phillips de Pury versteigern ließ, hörte man keinen Protest von Galeristen – die hatten die Arbeiten ja an sie verscherbelt.
Selbst die Künstler sahen dem Treiben zu, ohne laut zu protestieren. Ein exzellenter Maler wie Johannes Kahrs musste vor einem Jahr zum Beispiel erleben, wie eines seiner raren Bilder in einer Auktion für das Zehnfache von dem verkauft wurde, was er dafür ein paar Wochen zuvor von einem Galeristen bekommen hatte. Aber statt öffentlich zu protestieren, ärgerte er sich lieber im stillen Kämmerlein.
Galeristen waren es auch, die Makler jeder Art, gelangweilte Erben, vermögende Gattinnen und Neureiche auf der Suche nach gesellschaftlicher Bedeutung ohne intellektuelle Anstrengung an Bord der glitzernden Kunstszene geholt haben. Über Kunst wurde da wenig geredet und wenn, dann über Preise. Gespräche drehten sich eher darum, wer wo zu welchem Dinner eingeladen war oder welcher Star-Künstler sich gerade auf der Yacht eines Sammlers aufhielt.
Da klingt es schon wie Kabarett, wenn der Direktor der Galerie Hauser & Wirth der „Süddeutschen Zeitung“ folgende Erkenntnis zum Besten gibt: „Sollte die aktuelle Situation dazu führen, dass wieder mehr über Substanz gesprochen wird, kann das der Szene nur gut tun.“
Vielleicht sollte der Hauser & Wirth-Mann nicht abwarten, ob die „aktuelle Situation“ zu substantiellen Gesprächen führt. Er könnte einfach selbst ein Kunstmarkt-Hilfsprogramm mit mehr Inhalten, weniger Events und vernünftigen Preisen starten. Sofort in der Galerie und ab morgen im Licht der Öffentlichkeit, bei der Londoner „Frieze Art Fair“.
Und damit würde die Galerie auch die Anstrengungen Mattew Slotovers unterstützen, der als Direktor der Kunstmesse einiges tun kann. So will er z.B. dem Handel die besten Bedingungen geben und die Messe in London „durch gute Koordination mit Museen und Institutionen“ noch attraktiver machen. Und jetzt „erstmal die Händler beruhigen, keine Panik schüren, keine Wunder erwarten und Vertrauen erhalten“, sagt Slotover. Das z.B. hat seine Messeleitung in der Hand, mit strenger Qualitätsauswahl der Galerien und sogar der Kunst, die auf der „Frieze“ von den Ausstellern vorher eingereicht werden muss.
Seine größtes Vertrauen setzt Slotover allerdings auf die Sammler, die sich als Kunstliebhaber verstehen und nicht als Investoren und Spekulanten. „Kunst ist ein Teil ihres Lebens, intellektuell und auch kulturell.“ Und so ein Leben setzt man fort, Gott sei Dank nicht mehr auf dem überspannten Kunstmarktniveau der vergangenen Jahre.
Quelle: SPIEGEL-Online 14.10.2008